Wa’era – Offenbahrung in der Tora
OFFENBARUNG DES NAMENS UND SEINE ENTWICKLUNG
Wusstet ihr, dass es die Offenbarung nicht nur in der Brit Hadasha, im NT gibt? Auch in der Tora gibt’s eine, genau in unserer Wochenlesung: Das erste Mal offenbart sich Gott Moshe am Dornbusch und hier ein zweites Mal.
2.Mose 6;2-3: Und Gott redete mit Mose und sprach zu ihm: Ich bin der HERR (ANI YHWH); ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als »Gott, der Allmächtige« (El Shadai); aber mit meinem Namen »HERR« (YHWH) habe ich mich ihnen nicht geoffenbart.
Mendelson übersetzt 3: „ich erschien dem Avraham, Jizhak und Jaakov als Gott, der Allermächtigste (El Shadai) Aber mit meinem Wesen, welches unendlich und allgegenwärtig (YHVH) heißt, bin ich von ihnen nicht erkannt worden.
Im Judentum wird der Name Gottes, der aus diesen Buchstaben besteht nicht ausgesprochen, weil man diesen für dermaßen heilig erachtet und Respekt hat. Zudem weiß man heute nicht mehr wie er mal ausgesprochen wurde.
Mit der Zeit wurde er nur noch im Tempelgottesdienst ausgesprochen, später nur vom Hohepriester am Jom Kippur und nach der Zerstörung des Tempels wurde sogar ganz auf den Gebrauch des Namens verzichtet und man führte einen Ausspracheersatz ein, sowohl beim Vorlesen der Schrift als auch im Gebet – Statt YHWH wurde Adonai (HERR) gesagt.
In den Jahren 700-1000 wurde der Tenach durch die Masoreten vokalisiert. Ihr wisst ja, dass die Schriftrollen keine Vokale enthalten (a,e,i,o,u). Die Masoreten waren jüdische Schriftgelehrte, die die Punktierung hinzugefügt haben und dadurch wurde der Text in seiner Bedeutung und Leseform konserviert.
TRADITION & LEHRE DER WEISEN
Bei uns in der Gemeinde höre ich immer wieder kritische Stimmen zur jüdischen Tradition und der Lehre der Weisen – ist auch in Ordnung, kritisch soll man sein, aber hier sind wir alle der jüdischen Tradition und den Gelehrten zu Dank verpflichtet. Jede Bibel, die wir heute Lesen entstammt der jüdischen Lesetradition und den Regeln der Gelehrten. Ohne Sie würde der Beginn der Schöpfungsgeschichte so aussehen: „m nfng schf Gtt Hmml nd rd.“
Auch die griechische Bibelübersetzung übernahm diese Tradition und darum steht in den meisten Bibelübersetzungen statt YHVH > HERR (Adonai). Die Masoreten haben die Vokale von Adonai in JHWH eingebaut um einen Hinweis darauf zu geben, dass hier Adonai gelesen werden soll. Dies hatte ein christlicher Schreiber des Mittelalters nicht auf dem Schirm und schrieb den künstlichen Namen, wie er ihn sah: Jehova. Bis heute gibt es Bibelübersetzungen mit dieser irrtümlichen Schreibweise. Es gibt viele Theorien darüber, wie der Name richtig auszusprechen sei. Die Mehrzahl der Wissenschaftler geht davon aus, dass sein Name zu Moshes Zeiten YAH’WEH ausgesprochen wurde. Aber sicher ist man sich nicht. Viele heutige Juden drücken ihre Ehrfurcht vor dem Namen Gottes dadurch aus, dass sie im Sprachgebraucht nicht einmal Adonai sagen (nur bei Gebeten oder Lesung) sondern HaShem (der Name).
Manche stellen sich heute die Frage: wenn Gott uns seinen Namen schon verrät, sollten wir ihn dann nicht nutzen? Was sagt uns Gott selbst über die Verwendung seines Namens:
2. Mose 20;7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.
Aber auch Dinge wie: „So sollst du meinen Namen auf die Söhne Israels legen und ich werde sie segnen.“
Auch ich habe mich mit der Frage beschäftigt und traf für mich den Entschluss, dem Vorbild meiner Vorfahren und der Gelehrten unseres Volkes zu folgen und aus Achtung vor dem Namen und unsicherer Aussprache, darauf zu verzichten. Aber das muss jeder für sich entscheiden.
ALLMÄCHTIG, EWIG & ALLGEGENWÄRTIG
„Eure Väter kannten mich nur als Allmächtigen (El Shadaj), aber ich bin auch der Ewige Allgegenwärtige (YHVH)“. Warum ist es hier wichtig diese Qualität des Wesens Gottes hervorzuheben?
Wir Israeliten waren umgeben von sichtbaren „Göttern“, die über uns mit Gewalt herrschten. Auch wenn der Gott unserer Väter allmächtig ist, so ist er ja nicht HIER, in Ägypten. Er ist in Kanaan geblieben und hat uns vergessen. Gott sagt damit: „ich bin kein stationärer Götze, wie diese hier in Ägypten“, wo es einen Götzen fürs Leben, einen für Tod, Nil, die Tiere, … gibt, sondern Ich bin der einzige der Macht hat über Leben und Tod, Natur, Sonne und Sterne und alles was IST – das zeigt sich in den Plagen. Er ist der einzige Allmächtige, der ewig und allgegenwärtig ist, der einzige, der überhaupt war, IST, und sein wird.
Gott zeigt sich seinem Volk von einer ganz neuen Seite. Was trauen wir IHM eigentlich zu? Wie gut kennen wir ihn? Wir sollten bereit sein uns von Gott überraschen zu lassen, neue Facetten an ihm finden, ihn immer besser kennenlernen. Wie?
Wie lernt man einen Menschen gut kennen? Indem man mit ihm Zeit verbringt, gemeinsam Dinge erlebt, sich anvertraut, auch in schwierigen Momenten einander nicht aufgibt. Die Freunde, mit denen wir Gutes UND Schlechtes erlebt haben, Höhen und Tiefen gemeinsam durchgestanden haben, sind die wertvollsten.
Wie oft vergessen wir den Herrn wenn’s uns gut geht? Wir teilen unsere Freude nicht mit ihm und vergessen zu Danken. Wie oft kommen wir in schweren Zeiten mit Zweifel, Anklagen oder sogar Vorwürfen zu Ihm? Statt beides aus seiner Hand zu empfangen und für beides zu danken.
UNTER ÄGYPTEN HERVORZIEHEN
2.Mose 6;6-7 Also sage den Kindern Israels: „ich bin das allgegenwärtige ewige Wesen. Ich will euch hervorziehen unter den Lasten Mizrajims, euch von der Dienstbarkeit für sie erretten, euch mit ausgestrecktem Arm und mit großen Strafgerichten erlösen, euch mir zum Volke nehmen und euer Gott sein. Ihr sollt es erfahren, dass ich, das unendliche ewige Wesen, euer Gott bin, der euch unter den Lasten Mizrajims hervorzieht.“
Mizrajim finden wir hier in dualer Form. Wie ihr ja wisst, wird die duale Endung für alles verwendet wovon es zwei gibt: Eynaim, Raglaim, Jadaim, … Jersushalaim gibt es nur dual, weil es ein himmlisches Vorbild gibt für das irdische Jersualem – das himmlische Jerusalem. Es wird angenommen, dass die duale Form von Mizrajim für Ober- und Unterägypten steht, aber es könnte auch darauf hinweisen, dass Ägypten eben nicht nur ein Land ist, sondern für Juden auch ein geistlicher Zustand. Es steht für moralischen Verfall, Abkehr von Gott, Sündhaftigkeit. Wenn jemand nach Jerusalem geht, sagt man, er steigt hinauf. Wenn in der Schrift jemand nach Ägypten geht, lesen wir „er steigt nach Ägypten herab“. Dadurch lesen wir hier nicht nur, dass Gott sein Volk aus dem Land Ägypten herausführt, sondern auch befreit von der Sünde, aus dem Zustand des geistlichen Verfalls.
Und er führt nicht nur heraus sondern: „וְהוֹצֵאתִי אֶתְכֶם מִתַּחַת סִבְלֹת מִצְרַיִם“ (Vehovtzeti etchem mitachat sivlot mizraim) – „der euch unter den Lasten Mizrajims hervorzieht“. Das drückt zum einen aus welch schwere Last auf Israel lastet, wie unmöglich es ist sich selbst zu befreien und wie viel Aktivität der Herr hier beisteuert (nicht nur „da geht’s lang“ sondern aktives ziehen). Übrigens, gibt es viele Deutungen des Namens Moshe – unter anderem: dass es mit „Ziehen“ aus dem Wasser zu tun hat – „Gott zieht mit Hilfe des aus dem Wasser gezogenen sein Volk unter der Last hervor“. So wie Gott dafür sorgte, dass Moshe aus dem Wasser gezogen wurde und dadurch gerettet, zieht er auch sein Volk heraus. Wenn der Herr uns aus unserem eigenen Ägypten herauszieht, ist es an uns auch andere zu ziehen. Und Worte allein reichen hier nicht. Wir können noch so viel erzählen was für gute Menschen wir sind, wie viel Gutes wir tun, … unsere Taten sprechen immer lauter. Gott ist ein Macher! Seine Taten verraten wer er ist. Gott definiert sich nicht nur durch das was er ist (allmächtig & allgegenwärtig) sondern auch durch das was er tut. „der euch unter den Lasten Mizrajims hervorzieht“.
KEINE ZEIT HILFE ZU BEKOMMEN
2.Mose 6;9: Moshe sprach zwar alles zu den Kindern Israels, sie schenkten ihm aber kein Gehör wegen der Kürze des Odems und der schweren Arbeit.
Sie hörten nicht auf die „Lösung ihrer Last und Probleme“, weil sie zu sehr mit der Last und Problemen beschäftigt waren. Ich muss an diesen Comic denken, wo zwei Steinzeitmenschen einen beladenen Wagen mit eckigen Rädern schieben, sich abmühen. Daneben steht ein weiterer und bietet ein rundes Rad an, die anderen sagen: „Danke nein, wir sind zu sehr beschäftigt“. Glaubt ihr wir sind heute besser? Stress und Alltag können uns blockieren. Ich sage nur: „Sorry, ich kann nicht zur Gebetsversammlung kommen, hab gerade echt viele Probleme, die ich lösen muss.“ Beim nächsten Mal wenn wir sowas sagen, mich betrifft das genauso wie euch, lasst uns bitte an die eckigen Räder denken.
BEFREUNDET MIT ÄGYPTEN
Warum ist nun (nach hunderten Jahren) die Zeit gekommen sein Volk aus Sklaverei zu befreien. Chassidische Tradition sagt: „weil Gott merkte, dass sie sich langsam an die Lasten gewöhnt hatten.“ Tatsächlich: Sie lehnen die Erlösung erst ab. „Zu viel zu tun“. Später in der Wüste, bei den kleinsten Problemen: „lasst uns wieder zurückgehen – dort gabs wenigstens Knoblauch“. Vielleicht litt unser Volk an kollektivem Stockholm Syndrom: wenn Geiseln Anfangen Sympathie für den Geiselnehmer zu entwickeln.
Mit welchen Dingen, die schlecht für uns sind, haben wir uns so gut angefreundet, dass sie nicht nur normal für uns geworden sind, sondern vielleicht sogar was Positives? Süchte und Abhängigkeiten / Freunde, die uns nicht guttun / Lästern und Schimpfworte. Die Dinge, die uns Knechten, uns zu ihren Sklaven machen, von denen uns Gott frei machen will und uns frei gemacht hat, müssen wir lernen zu verabscheuen. Nicht mehr zurückblicken – wie schön es doch war Sklave zu sein. Wir sind teuer erkauft aus dieser Sklaverei und haben nun einen neuen Herrn.
CARGO KULT
In unserer Parasha geht’s anschließend los mit den Plagen Gottes über Ägypten. Immer wieder lesen wir die Situation, dass Moshe eine Plage Gottes heraufbeschwört und die Bildschriftkundigen/ Magier des Pharao ahmen das nach, mit dem Resultat, dass Pharao sein Herz verhärtet. Das erinnerte mich an Cargo-Kulte. Wisst ihr was ein Cargo Cult ist?
Stellt euch vor, es ist zweiter Weltkrieg und im Amerikanisch-Japanischen Krieg errichten die Amerikaner auf verschiedenen Inseln Vorposten für Nachschub. Sie bauen Landebahnen für Flugzeuge, Tower, Lager, Funkmasten. Aber auf diesen Inseln lebten auch primitive Ureinwohner. Sie beobachteten wie weiße Menschen, bestimmt Götter, in eisernen Vögeln vom Himmel herabkamen und unglaubliche Dinge mitbrachten: mächtige Waffen, Werkzeuge und Essen im Überfluss. Sie brauchten nur über Funkkopfhörer Nachschub anzufordern und schon regnete es Vorratspaletten vom Himmel (Cargo). Nach dem Krieg zogen die Amerikaner ab und auch das Cargo, die Frachtlieferungen blieben aus. Also gingen die Ureinwohner dazu über die Amerikaner zu imitieren. Sie bauten Funktürme aus Holz, Flugzeuge aus Stroh, Funkkopfhörer aus Kokosnüssen, wiederholten auf den Landebahnen die Bewegungen der Licht-Lotsen – in der Hoffnung, dass wieder Cargo vom Himmel regnet. Generationen später wachsen Kinder auf, die all diese Dinge tun, obwohl sie nie die Lieferungen aus der Luft gesehen haben. Daraus wurde ein Kult. Solche Cargo-Kulte sind zahlreich auf der Welt. Solche Cargo-Kulte können auch in unserem Glaubensleben entstehen: wenn wir äußere Handlungsweisen unserer Vorbilder oberflächlich nachahmen und uns davon etwas erhoffen (Gunst, Segen, Gesundheit, …). Unsere Traditionen, Rituale, Abläufe und Bräuche sind kein Selbstzweck. Einfach nur hohl nachzuahmen ist Blödsinn, dann lass es lieber. Hinterfragt bitte alles, was wir hier im Gottesdienst oder bei Festen tun! Stellt euch immer die Frage: Warum tun wir das? Was steckt dahinter? Was bedeutet das? Wenn du keine Antwort hast – dann mache nicht mit, sondern frage uns oder gehe selbst auf die Suche.
Philipper 3;17: Ahmt mit mir den Mashiach nach, Brüder und Schwester, und seht auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt.